Einen Whisky im Rahmen eines Whiskytastings richtig zu verkosten, scheint für Einsteiger eine Wissenschaft für sich zu sein. Diesen Eindruck könnte man zumindest gewinnen, wenn man Beiträge in Whiskyforen und Facebook-Gruppen verfolgt. Zahlreiche „Profis“ geben dort Ratschläge, worauf man unbedingt achten sollte – vom richtigen Equipment bis hin zur Verkostungstechnik. Und so taucht immer wieder die Frage auf: „Wie verkoste ich denn nun eigentlich Whisky richtig?“ Unser Ratgeber gibt ein paar hilfreiche Tipps für dein nächstes Whiskytasting:

Petra Milde ist Whiskykennerin und schreibt seit zehn Jahren auf ihrem Blog Mein Whisky über ihre große Leidenschaft. Bevor sie uns ihre 7 besten Tipps für ein Whiskytasting verrät, möchte sie Neuentdeckern dieser wunderbaren Spirituose erst einmal etwas die Angst nehmen – denn Whisky kann im ersten Moment schon einschüchternd sein. Aber kein Stress: Beim Verkosten und Trinken von Whisky gibt es eigentlich kein „Richtig“ oder „Falsch“.

Beim Whiskygenuss – wie auch beim Genuss jedes anderen Getränks oder einer Speise – kommt es auf persönliche Vorlieben, auf Erfahrungswerte und nicht zuletzt auch auf die Stimmung an, in der man sich gerade befindet. Um einem Whisky das Maximum seines Charakters, seines Geschmacks und seiner Aromen zu entlocken, können ein paar Tricks und Kniffe hilfreich sein. So kannst du beim Whiskytasting einen Whisky am besten kennenlernen:

Whiskytasting
Zur Verkostung ein spezielles Tastingglas in Tulpenform benutzen, Tumbler deshalb aber nicht kategorisch ablehnen.

1. Das richtige Glas zum Whiskytasting

In Filmen und in der Werbung sieht man meist einen Tumbler, also ein kurzes, dickwandiges Trinkglas, als Whiskyglas. Auch in schottischen Pubs wird man selten etwas anderes als einen kleinen Tumbler bekommen, wenn man einen Whisky bestellt, sei es ein Single Malt oder ein Blended Whisky. Doch ist das auch das richtige Glas für eine Whiskyverkostung?

Nein! Denn Kenner greifen beim Whiskytasting zu einem Nosing- oder Tasting-Glas, das in einer Art Tulpenform gearbeitet ist. Im bauchigen Bereich des Glases können sich die Whiskyaromen entfalten und werden schließlich durch die Verjüngung gezielt in Richtung Nase transportiert. Das ist wichtig, denn der Geruch macht einen großen Teil des Gesamteindrucks eines Whiskys aus – nicht nur der Geschmack. Idealerweise öffnet sich ein solches Tastingglas dann abschließend am Rand wieder leicht nach außen, damit sich die Lippen gut anschmiegen können und der Whisky im ganzen Mundraum gleichmäßig verteilt wird.

Mit oder ohne Eis ist eine Frage der persönlichen Vorlieben. Beim Verkosten sollte man aber lieber auf das Eis verzichten.

2. Eis oder kein Eis für den Whisky?

Ganz klare Antwort: Egal – zumindest, wenn es um den persönlichen Genuss geht. Wer seinen Whisky auf Eis genießen möchte, soll das ohne schlechtes Gewissen auch tun. Allerdings geht es hier um Tipps für das Whiskytasting und da lässt es sich nun einmal nicht leugnen, dass durch Eis im Whisky viele Aromen nicht so gut zur Entfaltung kommen. Ganz im Gegenteil: Manche Whiskys öffnen sich auch bei Zimmertemperatur nur sehr zaghaft und das Anwärmen des Glases mit den Handflächen kann nachhelfen. Außerdem betäubt Kälte die Geschmacksnerven, wodurch man weniger schmeckt.

3. Die Sache mit dem Wasser im Whisky

„Da ist schon so viel Wasser im Whisky, das reicht. Ich trinke meinen Whisky nur pur“, hört man häufig. Auch beim Thema Whisky mit oder ohne Wasser trinken gilt, dass jeder seines eigenen Genusses Schmied ist. Die Frage „Darf ich Wasser in den Whisky tun?“, stellt sich deshalb also gar nicht. Und wenn es um ein Whiskytasting geht, sollten auch die ganz Harten ruhig einmal zu ein paar Tropfen stilles Wasser greifen, vor allem, wenn es ein höherprozentiger Whisky ist.

Das Wasser öffnet den Whisky, bricht Esterketten auf und bringt dadurch mehr fruchtige Aromen zum Vorschein. Auch Guajakol, das für den rauchigen Geschmack mitverantwortlich ist, kommt durch eine Verdünnung mit Wasser besser zum Vorschein. Chemie? Oh je – mancher schlackert jetzt vielleicht schon mit den Ohren.

Ein Tipp, der ganz ohne wissenschaftliche Grundkenntnisse auskommt: Beim Whiskytasting den Whisky zunächst pur verkosten, dann aber ruhig ein paar Tropfen Wasser hinzugeben. Ändert sich etwas am Geruch oder am Geschmack? Dann noch ein paar Tropfen hinzugeben. Bei einem fassstarken Whisky kann man sich so eine ganze Weile vergnügen und manchmal staunen.

4. Der Faktor Zeit

Wie lange dauert ein Whiskytasting? Nun, Whisky ist kein Fastfood. Beim Whiskygenuss und gerade beim Tasting eines neuen Whiskys sollte man sich Zeit nehmen. Einschenken, sich an der Farbe erfreuen, an der Schlierenbildung. Einen Moment stehen lassen, dann daran riechen. Begrüßt dich jetzt schon ein breites Aromenbouquet? Gut, dann mach dich weiter mit dem Whisky bekannt. Ist er noch sehr verschlossen, kannst du ihm noch etwas mehr Zeit im Glas gönnen, ihn vielleicht etwas mit der Hand anwärmen. Auch scharfe, unangenehme Noten legen sich manchmal, wenn man dem Whisky noch etwas mehr Zeit gibt.

Nicht nur in der Nosing-Phase, also beim Riechen, sondern auch beim Verkosten selbst gilt es, sich langsam heranzutasten. Einen ersten kleinen Schluck nehmen und vor dem Herunterschlucken überall im Mund verteilen. Erst mit dem zweiten Schluck lernst du den Whisky richtig kennen. Lass ihn also eine Weile im Mund kreisen, ziehe vorsichtig ein wenig Luft hinzu und spüre den Geschmacksnoten nach dem Herunterschlucken nach. Gib dann vielleicht ein paar Tropfen Wasser hinzu, rieche und verkoste erneut, lass den Whisky in Ruhe nachklingen. Und nach Whisky A sollte im Idealfall nicht sofort Whisky B folgen. Am besten trinkst du danach erst mal etwas Wasser, um die Geschmacksknospen wieder zu entspannen.

Nimm dir also genug Zeit, um den Whisky zu begrüßen, ihn kennenzulernen und ihn dann auch wieder zu verabschieden.

Beim Whiskytasting sollte man auf intensive Aromen von Lebensmittel aber auch auf stark riechende Seifen bewusst verzichten.

5. Aromeneinflüsse von außen vermeiden

Nicht immer kann man bei der Verkostung eines Whiskys auf alle äußeren Umstände Einfluss nehmen. Zuhause ist man Herr des eigenen Umfeldes und sollte beim Whiskytasting lieber auf geräucherte Wurst oder Käse verzichten. Bei einem Messebesuch sollte man starke Aromen von benachbarten Ständen bewusst ausblenden oder sich mit seinem Glas einen anderen Platz suchen.

Worauf aber jeder sehr wohl Einfluss hat, sind die Nebenaromen, die über den eigenen Körper, vor allem über die Hände, ins Spiel kommen. Vor einem Whiskytasting solltest du daher auf Rasierwasser, Parfüm, Haarspray, Handcreme und sonstige parfümierte Körperpflegemittel verzichten. Ja, ich weiß, nach dem Toilettengang muss man sich nun einmal die Hände waschen und so manche Seife kann duftmäßig einem ganzen Blumenladen Konkurrenz machen. Ich kenne Kollegen, die aus diesem Grund immer ein Stückchen unparfümierte Kernseife dabei haben. Wer sich selbst nicht riechen kann, ist perfekt vorbereitet für eine Whiskyverkostung.

Über Geschmack lässt sich nicht streiten aber herrlich debatieren.

6. Ich schmecke was, was du nicht schmeckst

Geschmackserlebnisse sind individuell und subjektiv. Bei klar ausgeprägten Aromen wie Vanille oder Beeren sind sich Verkoster oft einig, aber schon beim Beschreiben von fruchtigen Noten gehen die Meinungen schnell auseinander. Ist das nun Pfirsich oder Mirabelle? Johannisbeere oder Preiselbeere? Als Anfänger fühlt man sich oft unsicher, wenn andere munter beschreiben, was sie da so alles herausriechen und -schmecken. Aber von einem gemeinsamen Whiskytasting kann man nur profitieren und man braucht nicht zu fürchten, womöglich etwas Falsches zu sagen. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, aber herrlich diskutieren. Außerdem ist Geschmack immer subjektiv – was für dich wie Pfirsich schmeckt, nimmt dein Gegenüber vielleicht als Mirabelle wahr.

Wenn dir anfangs einfach die Worte fehlen, um zu beschreiben, was du schmeckst, kannst du dich von einem Aromarad (Tastingwheel) inspirieren lassen. Es stellt unterschiedliche Aroma-Kategorien grafisch dar und listet viele gängige Whiskyaromen auf – von fruchtig über süß bis hin zu erdig oder maritim.

Noch mehr Geschmackserlebnisse gefällig? Dann kombiniere deinen Whisky doch mal mit Schokolade oder gleich einem leckeren, auf den Whisky abgestimmten Menü. Du kannst dich auch von den leckeren Rezepten der FOOD & LIFE inspirieren lassen. Probiere doch zum Beispiel das Rezept für Bürgermeisterstück in Whiskysauce.

Bei der Blindverkostung kann der Whisky neutral beurteilt werden.

7. Offen sein und sich überraschen lassen

Ein professionelles Whiskytasting erfolgt meist blind. Nicht, dass dem Verkoster die Augen verbunden werden, aber er weiß nicht, welchen Whisky er da im Glas vor sich hat. So kann er den Whisky neutraler beurteilen, als wenn er durch Angaben zur Brennerei, den Fässern oder dem Alter mit bewussten oder auch unbewussten Erwartungen an die Verkostung des Whiskys herangeht. Aber auch wenn wir wissen, welchen Dram wir da im Glas haben, sollten wir versuchen, uns frei zu machen davon, bei einem jungen Whisky nach metallischen Noten zu suchen, bei einem im Sherryfass gelagerten Whisky eine tiefdunkle Farbe zu erwarten oder einem Blended Whisky von vornherein skeptisch gegenüber zu stehen.

Ein Whiskytasting kann eine spannende Reise sein, die du am besten offen und mit einer gewissen Neugier antrittst. Darum solltest du jedem Whisky mit der gleichen Fairness begegnen – dann lässt sich beim Verkosten so viel mehr entdecken. Und vielleicht findest du ja deinen neuen Lieblings-Whisky.

Noch mehr Infos zu Whisky, Rum und Gin gibt es im Themenspecial Spirituosen. Oder natürlich im aktuellen Buch von Petra Milde: 99xWhisky. Neue Whiskys, Drinks und Weine kannst du auch auf der FOOD & LIFE, die zweimal im Jahr zusammen mit der Heim+Handwerk bzw. IHM stattfindet.